24. Dezember, ein ganz normaler Tag – Autoren und Weihnachten

Von meinem Vater habe ich die pure Lust am Widerspruch geerbt. Dieser Impuls muss es gewesen sein, dass ich bei der Idee für unsere Sonntagsserie zum Thema Advent/Weihnachten behauptete, ich würde Weihnachten hassen. Genau betrachtet, stimmt das nicht. Eigentlich ist es mir nur ziemlich egal.

Das hat nichts damit zu tun, dass ich alljährlich ab September in Supermärkten mit dem Anblick von Weihnachtsmännern, Lebkuchen und Adventsstollen malträtiert werde, denn ich bin ziemlich gut im Ignorieren von Dingen, die mich nicht interessieren. Auch die Tatsache, dass spätestens ab November jeder Online-Händler, bei dem ich im Laufe des Jahres irgendetwas gekauft habe, mich daran erinnert, dass bald Weihnachten ist und ich unbedingt jetzt an Geschenke denken soll, hat nicht wirklich etwas damit zu tun. Es gibt schließlich eine Delete-Taste. Auch habe ich in diesem Jahr keinen Chef, der im Dezember freidreht, weil ungefähr tausend Termine unbedingt in diesem Jahr gemacht werden müssen. Als ob man nicht sicher sein kann, dass die Welt im Januar noch existiert. Also auch in dieser Hinsicht habe ich keinen Grund, mich zu beklagen, wie ich es in anderen Jahren gern mal tat. Nein, das alles ist es nicht, obwohl ich zugebe, dass alles das irgendwie nervt und nicht dazu angetan ist, mir Weihnachten schmackhaft zu machen.

Ganz früher habe ich – wie wahrscheinlich alle Kinder – Weihnachten geliebt. Wir hatten zu Hause einen Adventskranz und einen Weihnachtsbaum mit Lametta, Weihnachtskugeln und Weihnachtsengeln, von denen es in meinem atheistischen Elternhaus immerhin zwei gab – weil sie hübsch waren, nicht wegen irgendeiner Art von Überzeugung. Es gab Geschenke unterm Weihnachtsbaum, wir sangen Weihnachtslieder, und in einem Jahr kam sogar der Weihnachtsmann höchstpersönlich bei uns vorbei. Ich erinnere mich auch noch sehr genau an einen Heiligabend, an dem ich nach der Bescherung glücklich durch frisch gefallenen Schnee geschlittert bin und Weihnachten wunderbar fand.

Irgendwann änderte sich das. Ich war inzwischen von zu Hause weggezogen, etwa 450 Kilometer weit, und hatte einfach keine Lust mehr auf vollgestopfte Züge. Außerdem störte mich zunehmend der unverhältnismäßige Aufwand, das Herumlaufen in Kaufhäusern und je weiter der Dezember fortschritt, desto verzweifelter wurde ich selbst und die Leute, mit denen ich in den Kaufhäusern stand, ebenfalls. Diese Maschinerie des Schenken-Müssens wurde mir immer verhasster. Ich schenke gern, aber der Zwang, das zu Weihnachten tun zu müssen, verdarb mir die Freude daran. Das, was früher einmal Vorfreude gewesen war, wurde mehr und mehr zu Vorfrust.

Ein paar Jahre versuchte ich es noch mit Weihnachten light: fuhr erst am 25. zu meinen Eltern und stellte von vornherein klar, dass ich keine Geschenke wollte und keine verteilen würde. Das Konzept funktionierte eine Weile, aber irgendwann löste sich Weihnachten als Familienfest für unsere Familie vollständig auf. Da kamen viele Gründe zusammen: eine Scheidung, die dazu führte, dass meine Neffen unter einem anderen Weihnachtsbaum saßen; die Trennung meiner Eltern; diverse Meinungsverschiedenheiten; mein Bruder, der als Ladenbesitzer bis zum 24. Dezember mittags arbeitet und sich an den Feiertagen einfach nur ausruhen will von der stressigen Adventszeit. So dramatisch einzelne dieser Ereignisse waren – die Schlussfolgerung, sich infolge dieser zu Weihnachten nicht zu sehen, ergab sich ganz undramatisch. Es ist uns einfach nicht wichtig genug. Ich bin froh darüber – ich kenne Leute, die Weihnachten auch lieber ohne Familie verbringen würden, es aber ihren Eltern nicht antun können.

Stattdessen habe ich den 24. Dezember zu meinem privaten heiligen Abend entwickelt. Ich koche mir etwas Leckeres, öffne eine Flasche Champagner, zünde mir Kerzen an und halte meinen ganz persönlichen Jahresrückblick – in Gedanken und manchmal auch auf Papier. Einzig das Weihnachtsoratorium höre ich als Reminiszenz an Weihnachten und in besonderem Gedenken an meinen Vater, der es geliebt hat, wie er überhaupt klassische Musik sehr geliebt hat. Ich höre es sozusagen für ihn mit. So verbringe ich Heiligabend meistens: entspannt und auf angenehme Art melancholisch gestimmt mit mir allein.

In Stein gemeißelt ist das nicht – wenn Freunde in der Stadt sind, die auch aus irgendwelchen Gründen nicht mit ihren Familien feiern, teile ich meine Entspanntheit gern. Hauptsache, wir müssen uns nichts schenken.

Früher kam ich mir ziemlich exotisch vor mit meinem Weihnachten ganz allein ohne Weihnachtsbaum und Bescherung. Aber jetzt wohne ich in einem Haus mit einigen türkischen Nachbarn und ich musste lachen, als im letzten Jahr am Heiligabend gegen 16 Uhr am Nachmittag irgendwo im Haus eine Bohrmaschine in Gang gesetzt wurde. Es scheint noch mehr Leute zu geben, für die der 24. Dezember ein ganz normaler Tag ist.

Ihre Dorrit Bartel

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2 Gedanken zu „24. Dezember, ein ganz normaler Tag – Autoren und Weihnachten“

  1. Weihnachten, da hat jeder sein Päckchen zu tragen, bezüglich Weihnachten.
    Märchen, die Weihnachten beinhalten, erzähle ich nicht. Wenn es in den von mir erzählten Geschichten, Märchen, etwas weihnachtlich vorkommt, dann ist das durchaus besinnlich, aber nicht so dick aufgetragen. Zum Standart bei mir, gestern noch erzählt ist das hier

    Die Tiere diskutierten über Weihnachten
    Sie stritten sich, was wohl das Wichtigste an Weihnachten sei.
    „Na klar Gänsebraten“, sagte der Fuchs. „was wäre Weihnachten ohne Gänsebraten!“
    „Schnee“, sagte der Eisbär. „Viel Schnee!“ Und er schwärmte verzückt: „Weiße Weihnacht!“
    Das Reh sagte: Ich brauche aber einen Tannenbaum, sonst kann ich nicht Weihnachten feiern!“
    „Aber nicht soviel Kerzen“, heulte die Eule, „schön schummrig und gemütlich muß es sein, Stimmung ist die Hauptsache.“
    „Aber mein neues Kleid muß man sehen“, sagte der Pfau, „ wenn ich kein neues Kleid kriege, ist für mich kein Weihnachten.“
    „Und Schmuck!“ krächzte die Elster, „jedes Weihnachtsfest kriege ich etwas: einen Ring, ein Armband, eine Brosche oder Kette, das ist für mich das Allerschönste an Weihnachten.“
    „Na aber den Stollen nicht vergessen“, brummte der Bär, „ das ist doch die Hauptsache, wenn es den nicht gibt und all die süßen Sachen, verzichte ich auf Weihnachten.“
    „Mach’s wie ich“, sagte der Dachs, „pennen, pennen , das ist das Wahre. Weihnachten heißt für mich: „mal richtig auspennen!“
    „Und saufen“, ergänzte der Ochse, mal richtig einen saufen und pennen!“
    Aber dann schrie er „Aua!“, denn der Esel hatte ihm einen gewaltigen Tritt versetzt.
    „Du Ochse, denkst du denn nicht an das Kind?“
    Da senkte der Ochse beschämt den Kopf und sagte: „Das Kind, ja das Kind ist doch die Hauptsache.“
    „Übrigens“, fragte er dann den Esel: „Wissen das die Menschen eigentlich?“

    unbekannte Quelle

    Einen ruhigen 2.Advent
    Gruß Amos

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