Warten auf Weihnachten – Autoren und Weihnachten

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Ich kenne einen kleinen Jungen, der Weihnachten sehr liebt. Beim Anblick des ersten Zellophan-Nikolaus begann er dieses Jahr schon zu strahlen, nun würde ganz bestimmt ganz bald Weihnachten sein. Seit Ende Oktober kommt immer wieder dieselbe Frage: „Ist jetzt Weihnachten?“ So oft man ihm auch erklärt, es dauere noch, er lässt sich nicht entmutigen und es kann vorkommen, dass er schon zehn Minuten später neue Hoffnung geschöpft hat– vielleicht ist ja jetzt Weihnachten?

Weihnachten, das ist für ihn das gelobte Land, vergleichbar mit Gatsbys grünem Licht. Wie schön muss es sein, in naher Zukunft ein sicheres Glück von solchem Ausmaß zu sehen, jeden Tag kommt es ein bisschen näher, unaufhaltsam und mit jeder Stunde des Wartens wird seine Freude größer. Ein bisschen erinnert er mich an mich selbst am Anfang des Jahres, ich hatte mein erstes Buch fertig geschrieben – meine Freunde lachten schon ein wenig über mich, denn ich hatte besagtes Buch gefühlte 1246524614986 „fertig geschrieben“. Nach einigem Nachdenken und auf Rat einer großartigen Freundin schickte ich es an eine Agentur und dann begann ich zu warten. Im Gegensatz zu meinem Neffen, wartete ich allerdings nicht auf ein bestimmtes Datum hin, mehr so ins Blaue – oder ins Grüne, wenn man beim Gatsbyvergleich bleiben will.

Ich hatte ein gutes Gefühl, wenn es drauf ankommt, habe ich immer Glück und gleich meinem nie entmutigten Neffen kontrollierte ich fast stündlich mein E-Mailpostfach. Ich habe nie wieder so viele Mails bekommen, wie in diesem Frühjahr – besonders Zalando und buch.de verwöhnten mich, die ersehnte Nachricht jedoch blieb aus.

Langsam begannen Zweifel an mir zu nagen, was wenn ich diesmal kein Glück haben sollte? Was wenn die Antwort nicht den ersehnten Inhalt enthielt, wenn wohlmöglich gar keine Antwort kam?

„Absagen gehen schnell“, meinte meine Mutter und meine beste Freundin fragte nach meinem Plan B. Ich erwiderte, ich hätte keinen und wenn sie mich weiter mit ihrem Realismus nerven würde, würde ich das Weinen anfangen, das hätte sie dann davon. Man sagt schließlich auch meinem Neffen nicht, das Weihnachten vielleicht dieses Jahr nicht stattfindet.

Gott, dauerte das lange!

Mein Neffe zählt die Pappaufsteller voll Nikoläuse im Supermarkt, denn wenn es gaaaaanz viele sind, dann ist Weihnachten. Sein Eifer ist jedoch begrenzt, er kann theoretisch bis zwanzig zählen, aber das tut er ungern, bis fünf fühlt er sich sicher, danach kommt viele und vieleviele und irgendwann gaaaaanz viele. Piraten, so sagt er sich wohl, brauchen kein Mathe, Autoren, so stellte ich fest, aber schon. Ich zählte erst Tage, dann Wochen und schließlich Monate – okay, ich übertreibe, es handelte sich nur um gefühlte Monate, aber dann war es plötzlich so weit. Einfach so, von jetzt auf nachher, ohne Vorankündigung oder Vorwarnung war für mich persönlich Weihnachten. Im Hochsommer, bei 29 Grade im Schatten. Das Arbeit und das Warten, es hatte sich gelohnt!

Und als mein kleiner Junge letzte Woche mit Tränen in den Augen den Verdacht äußerte, dass es dieses Jahr vielleicht gar kein Weihnachten gäbe, konnte ich ihm deshalb ganz entspannt versichern: Weihnachten kommt immer irgendwann! Manchmal muss man dafür hart arbeiten und manchmal kommt es anders als erwartet, aber irgendwann kommt Weihnachten, ganz sicher!

Ihre Joan Weng

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3 Gedanken zu „Warten auf Weihnachten – Autoren und Weihnachten“

  1. Hey Joan, eine passende Geschichte zum 1.Advent. Seit einigen Tagen werde ich wieder auf der Straße angesprochen. Vorgestern Morgen, 7 Uhr 50, ging ich vom Parkplatz zum Schwimmbad zum Morgenschwimmen. Komplett noch im Morgenmuffeltrott.In der Bushaltestelle wartete ein Mann, Arbeitskleidung, Vespertasche unterm Arm, schaut mich an und sagt: „Da kommt der Nikolaus aber früh!“ Wir lachten gemeinsam und wünschten uns gegenseitig einen guten Tag.
    Wahlweise bin ich auch der Weihnachtsmann, auch vor einigen Tagen, an der Kasse in der Warteschlange, ein kleines Kind saß im Einkaufwagen, schaute mich an, dreht sich zur Mutter und fragte dann, ob ich der Weihnachtsmann bin.Sie schaute mich an, ich schaute das Kind an und sagte ihm dann, das es schon sein kann, sie sollte mir schon mal verraten was es sich den zu Weihnachten wünscht. So weit ging das Vertrauen dann auch nicht.
    Dein Neffe begegnet mir vielleicht auch mal, vielleicht bin ich ja der Weihnachtsmann, man weiß es nie so genau, was der so treibt.
    Einen schönen Advent für Dich, für Deinen Neffen empfehle Märchen erzählen, da geht die Zeit besser um.
    Amos

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