„Beim Schreiben bin ich nüchtern, auf Partys nicht“

 

Ulli_Christoph

Foto: Jörg Lingrön

Ein Interview mit Christoph Junghölter

Es fragt: Ulrike Renk

Neulich hatte ich Gäste zu einem kleinen Essen eingeladen. Auch mein Blogkollege Christoph Junghölter war da. Die perfekte Zeit, um ein paar Fragen zu stellen.

Was machst du lieber – dich mit Freunden treffen oder Party? Und was ist Schreiben für dich? Party oder kochen für Freunde?

Schwer zu sagen. Aber das Verhältnis hat sich im Laufe der letzten Jahre verschoben. Die Partybesuche pro Jahr kann ich mittlerweile an einer Hand abzählen. Das liegt wohl auch daran, dass viele meiner Freunde Familien gegründet haben, Kinder großziehen. Da werden die Partys automatisch weniger. Dafür bin ich jetzt wieder mehr auf Kindergeburtstagen. Meistens lässt man mich aber nicht mitspielen, ich muss bei den Erwachsenen sitzen und Kaffee trinken.
Wohl eher wie kochen für Freunde. Beim Schreiben bin ich nüchtern, auf Partys nicht. Außerdem muss ich ja immer den Perspektivwechsel vollziehen und mich fragen: Wie kommt dieser Absatz oder dieses Kapitel überhaupt beim Leser an? Was löse ich damit aus? Das ist das Wichtigste. In meiner Phantasie habe ich die Bilder, den passenden Text dazu muss ich selbst schreiben. Kocht man für Freunde, ist man gespannt auf deren Reaktionen, man will wissen ob es schmeckt. Da gibt es also durchaus Parallelen.
Was kochst du am Liebsten für Freunde? Was ist dein Lieblingsgenre?

Ich würde jetzt gerne lügen und mit einer kleinen Auflistung von mir gekochter Gerichte antworten, aber die Wahrheit ist, ich kann mich gerade mal an drei Dinge erinnern, die ich überhaupt mal für andere Menschen gekocht habe. Zwei davon für meine Frau. Frauen sind wohl häufig die Begründung, warum Männer überhaupt kochen, und nicht einfach nur „Essen machen“. Natürlich stehen dahinter immer nur lautere Absichten. Ich lese gerne Jungsbücher. Nicht die Comedy-Fraktion, sondern eher Autoren wie z.B. Jonathan Tropper oder Edgar Rai, die ich auch zu diesem Genre zähle. Deren Romane haben eine gewisse Tiefe, regen zum Nachdenken an, und sind witzig. Mein eigentliches Lieblingsgenre aber ist meines Wissens gar kein Genre. Ich bewundere die Romane von Ralf Rothmann,  Philippe Djian oder Selim Özdogan. Sie zeigen, wie schön man Sprache benutzen kann und schaffen es, alltäglichen Gegebenheiten einen Hauch von – naja, nennen wir es mal „Poesie“ zu geben. Alle drei nehmen (bewusst oder unbewusst) auf intelligente Weise zur eigenen Zeitgeschichte Stellung. Und ok, ihre Geschichten sind einfach toll erzählt, vielleicht ist das der Hauptgrund.

Was hast du für deine Frau gekocht? Was würdest du gerne mal kochen? Was hast du bisher geschrieben? Was ist dein Schreibtraum?
Das erste war ein Gemüseauflauf. Um satt zu werden, hatte ich sicherheitshalber eine Portion Putenfleisch mit hineingeschnitten. Als zweites gab es Lasagne, so richtig mit zwei verschiedenen Saucen, Béchamel und Tomate. Beides muss mir wohl halbwegs gelungen sein, zumindest gab es keine Beschwerden. Die Pute im Gemüseauflauf wurde Monate später zum Anlass für die Behauptung meiner Frau, man könne einen Gemüseauflauf auch ohne Fleisch zubereiten. Diesen Gedanken fand ich damals etwas befremdlich, inzwischen habe ich mich einigermaßen damit angefreundet. Einen Kochtraum habe ich nicht, aber ich würde gerne mal frisches Sashimi essen, aus fangfrischem Fisch, zubereitet von richtigen Könnern.
Ich habe bisher rund ein Dutzend Kurzgeschichten abgeschlossen, führe sehr konsequent ein Notizbuch, in das ich Gedanken zu Romanen, Ideen, interessante Beobachtungen eintrage. Und dann gibt es noch eine ganze Reihe Romananfänge, keiner länger als ein paar Seiten. Dank professioneller Unterstützung 😉 bin ich aber jetzt endlich dabei, ein Romanprojekt ernsthaft anzugehen. Es gibt eine tragfähige Idee, einen Plot, eine Leseprobe, tja, und eigentlich muss ich jetzt nur noch weiterschreiben. Mein Schreibtraum ist, einen guten Roman vorzulegen. Und dann einen zweiten. Und dann einen dritten. Und dann am besten jedes Jahr einen weiteren hinzuzufügen, bis ich irgendwann sagen kann, ich bestreite einen Teil meines Lebensunterhaltes mit dem Verkauf meiner Bücher. Das wäre absolut großartig.

Wie sieht das perfekte Menu für dich aus? Wie der perfekte Roman?

Das perfekte Menü ist immer wieder ein anderes. Ich erinnere mich an eine Motorradreise nach Schweden, die ich mit einem Freund unternommen habe. Wir waren so zwei, drei Wochen unterwegs, und irgendwann machten wir Rast am Ufer eines Sees, an dem es einen kleinen Fischereibetrieb gab. Es war kalt und wir hatten Hunger. Wir kauften zwei geräucherte Fische und aßen sie mit Fingern und Taschenmessern von einem Butterbrotpapier. Das war das perfekte Menü.
Mit dem perfekten Roman ist es aus Lesersicht wohl ähnlich. Als Schreiber wäre ein Roman perfekt, wenn man nichts mehr daran verbessern könnte. Und ich fürchte, das gibt es einfach nicht.

Welche Küche magst du am Liebsten, welche gar nicht? Welche Autoren haben dich am Meisten beeinflusst? Positiv oder Negativ?

Ich liebe die asiatische Küche, besonders die koreanische und japanische, die in meinen Augen feiner ist als die chinesische, auch wenn es dort ebenfalls sehr extravagante, präzise ausgetüftelte Spezialitäten gibt. Die Alltagsgerichte sind in China eher simpel und auf gute Zutaten wird im Durchschnitt wohl weniger Wert gelegt, als in den beiden anderen Küchen. Ich habe bisher noch kein Land bereist, dessen Küche ich überhaupt nicht mag. Vielleicht kommt das noch.                                                                                                                                                                                            Zum Schreiben gebracht hat mich Philippe Djian, wenn auch mit über zehn Jahren Verzögerung. Drei, vier seiner frühen Romane nehme ich immer mal wieder zur Hand, mir ist immer noch nicht völlig klar, warum sie mich so sehr faszinieren. Aber wenn ich so schreiben könnte, würde ich freiwillig auf einiges andere verzichten. Negativ beeinflussen mich Romane, die offensichtlich einfach zu früh veröffentlicht wurden. Da war ein Autor oder eine Autorin noch gar nicht soweit und „verlegt“ dann in Eigenregie. Die Namen habe ich allesamt vergessen, aber sie sind leicht herauszufinden, einfach mal das KDP-Angebot durchsehen. Vieles von dem, was dort angeboten wird ist so schlecht, das hätte man nie publizieren dürfen. Oder nett gesagt: Man hätte sich mehr Arbeit damit machen müssen.

Wenn du die Wahl hättest – 5 gängiges Sternemenü mit winzigen Portionen oder gute Hausmannskost, was würdest du nehmen? Wenn du wählen könntest Bestseller oder künstlerisch hoch bewertetes Buch, das sich nicht verkauft – wie würdest du dich entscheiden?

Eindeutig das Sternemenü. Nichts gegen die gute Hausmannskost, aber ich hätte mehr Freude daran, Gerichte zu probieren, die ich noch nicht kenne. Auch in meinem jungendlichen Alter hat man schon viele Dinge probiert. Ich bin neugierig, auf die Dinge, die ich noch nicht kenne.
An erster Stelle steht für mich die Anerkennung durch Autoren, durch Menschen, die etwas vom Schreiben verstehen. Jenseits der Geschmacksfrage, die jeder für sich beantwortet, kann man durch intensives und exzessives Lesen eine höhere Sensibilität für Geschriebenes entwickeln. Das Urteil solcherart geschulter Menschen wäre mir erstmal wichtiger. Sollte sich einer meiner noch zu schreibenden Romane zu einem Bestseller entwickeln,  würde ich wahrscheinlich bloß staunend dastehen und in einem Katalog für amerikanische Oldtimer blättern.

Süßes oder Saures? Stehst du auf Naschwerk? Der Blog der 42er – was ist der für dich? Ein Absacker oder ein Nachtisch?

Naschwerk? Natürlich. Süß muss es sein. Meine Hochachtung gilt den griechischen Zuckerbäckern (deren deutsches Pendant ich vermisse). Da fällt mir ein, ich muss meine Frau daran erinnern, mal wieder Kadaifi zu machen, diese sirupgetränkte Sünde. Die Freude meines Zahnartzes. Einmalig.                                                                                                                                                                                                                                                       Genau wie der 42er-Blog. Der unverzichtbare süße Snack für zwischendurch. Ebenfalls einmalig.

Ich bedanke mich für das schöne Interview bei Christoph Junghölter.

Und ich bedanke mich bei Ulrike Renk. Für dieses Interview, für knusprigen Gänsebraten, Flensburger, den schönen Abend und für die richtigen Worte zur richtigen Zeit.


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