Abteilung 2: Die Unkonventionellen (3): Jane Bowles

Jane Bowles, die verkrüppelte jüdische Lesbe („Crippie, the Kike Dyke“), wie sie sich in verzweifelter Selbstironie gern nannte, erblickt 1917 als Tochter jüdischer Immigranten in New York das Licht der Welt. 56 Jahre später stirbt sie in Malaga, Spanien.

Als Jane 14 Jahre alt ist, verliert sie ihren Vater, ein Jahr später muss sie wegen einer Knochentuberkulose in der Schweiz behandelt werden. Als sie nach Monaten im Streckverband ins heimatliche Manhattan zurückkehrt, ist sie um die intensive Liebe zur Literatur, aber auch mehrere Phobien reicher. Sie ängstigt sich vor Fahrten durch Tunnels, mit dem Aufzug und mit der Eisenbahn, vor Gebirgen und hat Abneigungen gegen unterschiedlichste Tiere wie Schlangen und Hunde. Ein Reitunfall führt zu einer Versteifung eines Knies, so dass sie hinkt.

In den folgenden Jahren beginnt sie ein Romanprojekt, übt sich allerdings auch zunehmend in Liebesbeziehungen zu Männern und Frauen. Obwohl sie sich stärker zu Frauen hingezogen fühlt, heiratet sie 1938 den Autor und Komponisten Paul Bowles. Von der gemeinsamen Reise durch Mittelamerika bringt Jane den Schauplatz für ihren Roman „Zwei sehr ernsthafte Damen“ („Two Serious Ladies“) mit. Das Ehepaar Bowles lässt sich kurz in Paris nieder, Jane frequentiert vor allem Bars mit lesbischem Stammpublikum. Die sexuelle Beziehung zu ihrem Mann nimmt ein Ende. Jane schreibt und zweifelt an sich, und dieser Zweifel an ihrem literarischen Talent wird sie ihr ganzes weiteres Leben begleiten.

Als das Paar nach Mexiko umsiedelt, lernt Jane dort Helvetia Perkins kennen, die ihre Geliebte wird. Ihr Roman „Zwei sehr ernsthafte Damen“ erscheint 1943 und wird von der Kritik zum Großteil vernichtend besprochen. Der bizarre Roman erzählt das Schicksal zweier Frauen. Die eine verfällt den Reizen einer Hure und verlässt ihren Mann, während die andere sich selbst prostituiert.

Jane veröffentlicht ein paar Kurzgeschichten, versucht sich an einem weiteren Roman. Aber sie kämpft immer wieder gegen ihre Ängste, gegen Selbstzweifel und Schreibhemmungen an. Und sie kämpft vor allem auch mit den Waffen, die ihre Umwelt ihr übel nimmt: mit Zigaretten, Alkohol, lesbischen Affären und einem Verhalten, dass ihr gesellschaftliche Missachtung einbringt.

Als sie 1948 ihrem Mann nach Tanger folgt, werden beide bald Teil einer amerikanischen Exilboheme. Hier treffen sie auch mit William Burroughs zusammen und experimentieren mit Drogen. Literarisch sticht vor allem ihre Kurzgeschichte „Camp Cataract“ hervor, außerdem arbeitet sie ernsthaft an dem Bühnenstück „Im Gartenhaus“ („In The Summer House“). Und hier verliebt sich Jane in eine marokkanische Bauersfrau.

„Camp Cataract“ handelt von drei Schwestern, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, aber alle unter ihren eigenen Obsessionen leiden. Während sich Schwester Harriet in Camp Cataract, einem Ferienzentrum, nach einer Krankheit wieder erholen soll und vom Ausbruch aus ihrem beengenden Leben träumt, möchte Schwester Sadie, die den Familienhaushalt führt, ihre kleine Welt zusammenhalten. Eveyln, die dritte Schwester, ist verheiratet, hält sich aber für durchschnittlich und ihre Schwestern für wahnsinnig. Gegen jeden ärztlichen und familiären Rat besucht Sadie ihre Schwester Harriet im Camp. Beide durchschauen die Absichten der jeweils anderen, sind einander aber nicht gewachsen. Der Besuch endet tragisch, Sadie stürzt in den Wasserfall des Camp Cataract.

„Im Gartenhaus“ heiraten Mutter Gertrude und Tochter Molly am gleichen Tag, wobei Mollys Eheschließung eher eine Trotzreaktion auf Gertrudes Vermählung ist. Die Ehe der Mutter, geschlossen vor allem aus finanziellen Erwägungen, ist unglücklich und scheitert, doch bei der Rückkehr zur Tochter muss Gertrude feststellen, dass Molly mit ihrem Mann glücklich ist. Sie stürzt sich wie eine Ertrinkende in die Beziehung zur Tochter, die sich aber nicht vereinnahmen lässt.

Nachdem ihr Stück 1953 am Broadway sehr gemischt aufgenommen wird, kehrt sie nach Tanger zurück, vorgeblich um an ihrem zweiten Roman zu schreiben, vor allem wegen der Liebesbeziehung zu der Marokkanerin Cherifa. Aber ihre Dämonen lassen ihr keine Ruhe, sie stürzt sich in andere lesbische Affären und trinkt. Viel. Die Schreibblockade bleibt, ebenso die Selbstzweifel.

Als Jane 1957 einen schweren Schlaganfall erleidet, ist sie in der Folge stark sehbehindert und in ihrer Bewegung eingeschränkt. Zwar zeigen ihre Notizbücher, dass der Wille zu schreiben immer noch besteht, aber ihr fehlen die Kraft, das Augenlicht und die Vorstellungskraft. Sie stirbt 1973 blind und gelähmt in einer psychiatrischen Klinik in Malaga.

Erstaunlich ist die sehr treue Anhängerschaft und der literarische Nachhall ihres eher dünnen Werks: ein Roman, ein Theaterstück und sechs Kurzgeschichten. Der Autor Tennessee Williams schreibt in seinen Memoiren: „Ich halte Jane Bowles für den größten englisch schreibenden Autor unseres Jahrhunderts, worin Harold Pinter mir zustimmt.“ Und John Ashbery, einer der einflussreichsten amerikanischen Dichter der Gegenwart, meint: „Es steht zu hoffen, dass sie als das anerkannt wird, was sie ist: eine der besten modernen Schriftstellerinnen, egal in welcher Sprache.“

Von Jane Bowles sind antiquarisch Gesamtausgaben für kleines Geld zu bekommen.

Ihr Wolf P. Schneiderheinze

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Ein Gedanke zu „Abteilung 2: Die Unkonventionellen (3): Jane Bowles“

  1. Man kann aber auch statt im Antiquariat nach abgegriffenen und zerlesenen Büchern von Jane Bowles für kleines Geld, für etwas mehr die dreibändige Ausgabe ihrer Gesammelten Werke, 2012 bei Schöffling erschienen (ISBN-13: 978-3895613388) kaufen. Enthalten sind neben Roman und Stories ein Band mit Texten über Jane Bowles.

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