Meine Eltern haben vor kurzem aktuell geerbt – alles Mögliche, unter anderem die Kosten für das Gnadenbrot eines uralten, aber sehr gefräßigen Pferdes, 276 Wollknäule in den Modefarben der 80er Jahre und eine kleine Bronzestatue. Die Statue ist ungefähr zwei Handteller groß und zeigt, wie der Auktionator meinen Eltern mitteilte, Prometheus. Zur großen Freude meiner Eltern sollte Prometheus tatsächlich etwas wert sein – vielleicht sogar genug, um die Kosten für das verfressene und ständig kränkelnde Pferd zu decken.
Doch leider stellte sich heraus: Prometheus war nicht komplett. Das Feuer fehlte ihm – zumindest im übertragenen Sinne, denn zur Figur gehörte ein anschraubbarer Penis und der Penis war nicht da. Ohne Penis keine Auktion! Leider wusste keiner, wie das gute Stück ausgesehen hatte, und so wusste auch keiner, ob es nicht vielleicht längst in einer der vielen, vielen Kisten zum Sperrmüll oder zur Diakonie gewandert war. Mein Vater, der gerade die Rechnung eines Hufschmiedes erhalten hatte und sich am Rande des Ruins wähnte, kündigte an, die Wohnung systematisch absuchen zu wollen. Nichts sollte seinem Adlerauge verborgen bleiben. Voller Tatendrang stellte er sich in die Küche, drehte sich einmal um die eigene Achse, öffnete versuchsweise die Besteckschublade und rief dann nach meiner Mutter, sie solle ihm helfen. Er fände nichts.
Meine Mutter suchte tatsächlich gründlich. Sie entdeckte allerhand, unter anderem einen seit den neunziger Jahren verschollenen Impfpass und einen von mir mit acht Jahren genähten Teddybär. Weil ich in der Herstellung damals zufällig einen Knopf übrig hatte, besaß der Teddy drei Augen, aber leider war mit einem dritten Auge in diesem Fall niemandem gedient.
Die Wohnung leerte sich indessen, doch der Penis blieb verschollen, und so ging die Staue schließlich als „Prometheus, Phallus fehlend“ in die Auktion.
Erwartungsgemäß brachte der Entmannte nicht eben viel, sodass meine Eltern froh waren, die Wohnung einen Monat früher als geplant an den Nachmieter übergeben zu dürfen. Überhaupt war der Nachmieter sehr nett, er übernahm Lampen, Küche und einige Regale, denn wie der junge Mann sagte, es sei ja alles recht modern. Und dann lachte er, zeigte neben die Eingangstür und erklärte: „Ich hätte meine Vormieterin gern gekannt. Ich meine, wer benutzt schon sowas als Kleiderhaken? Was ist das? Sieht ja aus wie ein Bronzepenis.“
Ihre Joan Weng
@Amos: die Antwort kommt verspätet, weil ich bis heute in Urlaub war, aber mein Vater war so dreist Prometheus edelstes Stück abzuschrauben und mitzunehmen. Er hängt jetzt zu Hause seinen Mantel dran 😉
Die besten Geschichten erzählt das ganz normale Leben. Wunderbar. Was sagt der Vater den jetzt dazu?
Ein abschraubbarer Penis ist schon skurill, wenn Vaddern den dann auch noch selber als Garderobenhaken benutzt hat, noch skuriller. Ist sicher auch eine gute Geschichte, wenn Vaddern das überhaupt noch weiß.