Dichter und der Tod – Folge 3:

Der letzte Trunk

Nach Baudelaire

Tod, alter Fährmann! Es ist Zeit! Anker gelichtet!
Weiße Winde flattern wie Möwen. Segel gehisst!
Ob Meer und Himmel sich wie schwarze Tinte dichtet,
Du weißt es, dass mein Herz voll goldner Strahlen ist.

Gieß ein den letzten Trunk des roten Blutes!
Wie Feuer brennts im Schlund. Mich trägt die Welle
Bis auf des Unbekannten tiefsten Grund. Was tut es,
ob Himmel mich das Neue lehrt, ob Hölle?

Klabund (Alfred Henschke)
(18901928)

Der 16-jährige Apothekersohn Alfred Henschke aus Frankfurt (Oder) erkrankte auf einer Wanderung durch das Riesengebirge an Tuberkulose, die fälschlicherweise zunächst als Lungenentzündung diagnostiziert wurde. Die Krankheit begleitete ihn von da ab das ganze kurze Leben. 1918 heiratete er Brunhilde Häberle, die er aus dem Lungensanatorium kannte. Sie starb aber noch im gleichen Jahr bei der Frühgeburt ihres Kindes. Das Pseudonym Klabund wählte er im Jahr 1912. Er gab vor, ein wandernder Poet zu sein, wie der acht Jahre zuvor verstorbene Peter Hille. Er war ein fruchtbarer Dichter. Neben Gedichten schrieb er Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Übersetzungen und Nachdichtungen fernöstlicher Literatur. 1928 erkrankte er in Italien an einer Lungenentzündung, die zusammen mit der nie ausgeheilten Tuberkulose zu seinem Tode führte. Er starb in Davos, die Grabrede hielt sein Freund und Lyriker Gottfried Benn.

An Klabund

Gerne wärst du einer gewesen, ein Poet
vagabundierend wie Peter *) oder eher
ein Klabautermann, eben unstet
und ständig unterwegs von jeher.

Doch TBC zog dich von Kur zu Kur, und da
fandst du die Gefährtin im Sanatorium,
wie du an Schwindsucht leidend, so nah
dem Tod, der sie dir nahm, leis und stumm.

Horst-Dieter Radke

*) gemeint ist der Schriftsteller Peter Hille (1854–1904)

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