Joan liest: Russel Franklin – Hemingways Kind

Man kann wohl sagen, ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu Hemingway – soll heißen, ich finde ihn grässlich. Mein Mann aber liebt ihn, weshalb ich lange Zeit nicht laut gesagt habe, wie grauenhaft langweiligöde ich diese Machoschinken voll Fische mordender, Stiere aufspießender Kriegshelden finde. Aber es ist wie mit dem Pupsen im Beisein des Partners: Irgendwann entweicht einem halt doch das erste Wölkchen, und so weiß auch mein Mann inzwischen, dass ich in Bezug auf Hemingway nicht nach Rosen dufte.

Also was würde der große Joe DiMaggio tun?

Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, aber mein Mann, der kauft mir seitdem begeistert Romane über Hemingway. Da hat er aktuell eine große Auswahl: Madame Hemingway (sprachlich elegante, ansonsten langatmige Beschreibung von Ehe Nummer 1), Hemingway & ich (sprachgewaltige Beschreibung von Ehe Nummer 3), Villa Americana (Hemingway und Freunde an der Cote d’Azur, den Klappentext zu kennen reicht) sowie noch zwei oder drei, deren Namen und Handlung ich nicht mehr weiß, so sehr haben sie mich beeindruckt. Entsprechend gezwungen fiel mein Lächeln dann auch aus, als mir für das verlängerte Wochenende Hemingways Kind beschert wurde. Was kommt wohl als Nächstes? Hemingways Katze?

Aber da ich mir nur dann die Mühe mache, eine Rezension zu schreiben, wenn mir ein Buch gefallen hat, ahnen Sie es sicher schon: Ich war erst überrascht, dann beeindruckt und schließlich gerührt.

Hemingways Kind ist – entgegen dem Titel – keine sprachlich nette Beschreibung einer Kindheit mit Papa Hemingway und ein bisschen Kummer, weil der Alte ständig anderen Frauen nachgestiegen ist und von seinen Söhnen erwartet hat, dass sie mit acht schon Schnäpse exen. Dass Gregs Vater Hemingway war, das ist eigentlich ganz egal, denn er könnte auch der Sohn irgendeines anderen erfolgreichen Egomanen und seiner frustrierten Schönheit von Gattin Nummer 2 sein. Es geht um viel mehr, denn Greg möchte eigentlich Gloria sein und kämpft auf diesem Weg zwar auch mit seinem Vater und der Gesellschaft, vor allem aber mit sich selbst.

Vom Aufbau her verschachtelt, mit vielen Zeitsprüngen und teilweise losen Fäden, ist der Roman ein kleines Kunstwerk, Welten entfernt von all den gefälligen „mit Hemingway verheiratete Frau plus Glamour und Paris“-Romanen. Und doch ist diesem Buch gelungen, woran all die anderen gescheitert sind: Ich habe mir tatsächlich Der alte Mann und das Meer aus dem Regal genommen und zu lesen begonnen. Vielleicht erfahre ich also doch noch, was der große Joe DiMaggio getan hätte?

Joan Weng

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