Jürgens schönstes Buchgeschenk, das gar kein Buchgeschenk ist – oder: Lost in Puberty

Arno: A Popo Weihnachten: Was war so dein wichtigstes Buch, das du vom Weihnachtsmann geschenkt bekommen hast?

Jürgen: Kein Buch, sondern ein Song.

Arno: Musik? Nur Bücher machen klug und selig.

Jürgen: 1972 bekam ich von meiner Schwester eine Platte von Slade zu Weihnachten.

Arno: Wenn ich mal das Radio anstelle, dann höchstens für Micaela von Bata Illic. Aber ansonsten bevorzuge ich Bücher, die weiter keinen Lärm machen.

Jürgen: Die Kombi von Text und Musik ist doch allgemein anerkannt: Nobelpreis für Bob Dylan, Büchner-Preis für Wolf Biermann.

Arno: Die kennt in fünfzig Jahren keine Sau mehr, wie heute Paul Heyse und Heinrich Böll.

Jürgen: Slade ist Glamrock, Vorläufer von Hardrock und Punk, aber das sagt dir sicher auch nichts.

Arno: Okay, wenn du darauf so abfährst, dann gib mal eine Kostprobe von deinen Nobelpreiskandidaten.

Jürgen: Gerne. Der alles entscheidende Wahnsinnssong heißt Gudbuy t’Jane.

Arno: Wahnsinn ist das richtige Wort. Oder hatten die Engländer auch eine Rechtschreibreform?

Jürgen: Wohl unmusikalisch, was? Die Doppelbedeutung vom scheinbar falschen Gudbuy ist doch einfach Hammer. Einmal versteht man den Abschiedsgruß, und schräg daneben gibt es die zweite Bedeutung, die eine Frau namens Jane zum Shoppen auffordert. Gib zu, das hat Witz und Wahrheit.

Arno: Solche Verschreibungen sollte man mal konsequent zu Ende führen. In einem Roman. Notiere ich mir.

Jürgen: Hier die Lyrics.

Arno: Solange du nicht anfängst zu singen …

Jürgen: Gudbuy t’Jane, gudbuy t’Jane

She’s a dark horse see if she can

Gudbuy t’Jane, gudbuy t’Jane

Painted up like a fancy young man …

Arno: Welche Sprache soll das gleich sein?

Jürgen: Wahnsinnsmetapher: She’s a dark horse. Ich kannte Jane damals nur als Gespielin von Jonny Weißmuller. Aber jetzt kam sie plötzlich als dunkles und von allen Rechtschreibzwängen befreites Wesen ins Jugendzimmer galoppiert, was einen definitiv unvergesslichen Eindruck hinterließ. Außerdem erschien sie auch wie ein fancy young man, typisches Beispiel für Gender Crossing beim Glamrock. Und das alles satte dreißig Jahre, bevor der Genderdiskurs so richtig populär wurde, und dreißig Tage, bevor bei mir die Pubertät ausbrach. Dies passierte 1973, mit Suzy Quatro in Leder und Can the Can. Aber das ist eine andere Geschichte.

Arno: Gratuliere. Lost in Puberty. Da bleibe ich lieber bei Bata Illic, auch 1972:

Du bist alles für mich, denn ich liebe nur dich, Micaela-a-ha.

Jürgen: Aber du darfst singen, wie? Erstens gibt’s da keine coolen Metaphern, zweitens heißt deine Frau Alice. Aber wo findest du konzentriert alles, was Literatur ausmacht: Doppeldeutigkeit, Witz und Wahrheit? Nur bei der einzigen und unvergleichlichen Jane. She’s a queen, and I know she’s alright, alright, alright, alright!

Ihr Jürgen Block

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