Schreiborte (Teil 2): Durchgecheckt und eingecheckt

Ich schreibe also überwiegend an meinem Schlafplatz. Komische Marotte? Mag sein. Frage eins: Warum ist das so? Frage zwei: Warum ändere ich meine Strategie nicht, wenn, beziehungsweise obwohl ich merke, dass sie nicht, beziehungsweise, nicht immer funktioniert? Fragen über Fragen, die ich mir zugegebenermaßen vor dem Schreiben dieses Beitrags noch nie gestellt hatte. Dazu fällt mir meine neue Lieblingssprüchepostkarte ein: „Ich habe zwar keine Lösung, bewundere aber das Problem.“ So sieht’s mal aus.

Durchgecheckt

Mal sehen, wie viel von der Bewunderung noch übrig ist, wenn ich meinen Schlafplatz, respektive Schreibplatz, einer semiprofessionellen Prüfung gemäß Bildschirmarbeitsverordnung (kurz: BildscharbV) unterziehe:

  • „Mehrere Meter Mindestfläche je Arbeitsplatz?“ Check. Zwei Quadratmeter Liegefläche. Mindestens.
  • „Freie Bewegungsfläche von mindestens 1,5 Meter.“ Siehe oben. Läuft.
  • „Mindestabstand zum Bildschirm: 1 m.“ Äh… Bei einer Innenarmlänge von rund 60 Zentimetern … bei ausgestrecktem Arm tippend… Vielleicht liegt der Misserfolg meiner Schreibortnutzung ja darin begründet, dass ich zu kurze Arme habe? Ich behalte das im Hinterkopf und sehe weiter.
  • „Blickrichtung parallel zur Fensterfront und zu den Leuchtenbändern.“ Muss ich jetzt mein Bett umstellen? (Ich habe gerade erst erfolgreich die Wasseradern umschifft.) Und Neonröhren stehen irgendwie nur auf Platz 2 meiner Leuchtmittelrangliste für den Schlaf- und Wohnbereich. Weiter.
  • „Winkel Oberarm-Unterarm sowie Ober- zu Unterschenkel 90 Grad.“ Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber a) sähe das ziemlich beknackt aus und b) Wird der Physiotherapeut gleich mitgeliefert?
  • „gepolsterte Sitzfläche“ Ist das ein neues Anti-Diät-Programm, von dem ich nichts weiß? Cool.
  • „Tastatur getrennt vom Bildschirm aufstellbar?“ Nun, ich weiß nicht, wie mein Laptop das sieht, aber … Und was soll das eigentlich heißen: getrennte Schlafzimmer auch für die Computerperipherie? Ich hätte die Einzelteile schon gerne beisammen, das erleichtert das Korrekturlesen ganz ungemein.

Nach den harten Fakten kommen wir nun zu den Empfehlungen für gutes und entspanntes (und somit angeblich effektives) Arbeiten:

  • „Richten Sie Ihren Arbeitsplatz individuell ein.“ Hab ich: persönlich durchwühlte und ergonomisch aufgehäufte Arbeitsfläche, Kaffeetasse sowie Telefon und Fernbedienung zum Ingangsetzen des obligatorischen Schreibfilms (siehe Beitrag zu Schreibritualen) in Reichweite, Facebookzugang fürs anspruchsvolle Prokrastinieren, Sabberkissen, Kaltgetränk und Knabberzeug.
  • „Achten Sie auf Ihre Haltung!“ Natürlich, wo kämen wir denn sonst hin? Meine Haltung gegenüber dem Schreiben ist einwandfrei – ich hab‘ nix dagegen. Auch bei anderen nicht. Soll doch jeder, wie er will. Kaum, dass ich darüber nachgedacht und den Kopf frei habe, schreibt sich’s doch gleich viel natürlicher.
  • „Verkrampfen Sie sich nicht bei der Arbeit am Computer!“ Warum denn nicht? Woher soll ich denn sonst merken, dass ich fertig bin mit Arbeiten? Wenn es in den Fingern weh tut, hab ich noch zwei Stunden. Meldet sich die  Lendenwirbelsäule, steh ich auf und feinjustiere die Extremitäten. Verkrampft der Nacken, schüttele ich die Kissen auf und hebe den Kopf. Machen ja schon Babys stundenlang ab einem Alter von wenigen Wochen, kann also nicht so verkehrt sein, ist ja eine gewohnte Körperhaltung. Verkrampft der Schädel und ich bekomme Augenflimmern und Kopfweh, dann weiß ich: Für heute ist’s genug!
  • „Entspannungsübungen für die Augen einplanen!“ Das ist jetzt wirklich die erste vernünftige Anweisung. Check. Da habe ich mit dem Schreibort ‚Bett‘ ja intuitiv die richtige Arbeitsumgebung gewählt. Ich bin dann mal wech. Nickerchen und so.
  • „Bewegen Sie sich regelmäßig während der Arbeit.“ Mach ich doch! Die Finger fliegen nur so über die Tastatur und die Kaffeetasse hebt sich schließlich auch nicht von alleine …
  • „Machen Sie zum Ausgleich Sport und stärken Sie Ihren Rücken!“ Gute Idee: Zum Ausgleich laufe ich zweimal im Jahr Marathon: auf der Leipziger und auf der Frankfurter Buchmesse. Das stärkt. Den Zusammenhalt unter den Autoren, den Spaßfaktor und den Rücken. Wegen des Rucksacks. Literatur wird nämlich immer schwerer.

Eingecheckt

Apropos in die Ferne schweifen: In Kürze geht es wieder an meinen ‚wahren‘ Schreibort, Nazaré an der portugiesischen Silberküste. Dort finde ich immer und überall ein Plätzchen zum Schreiben. Da ist es egal, ob ich auf dem Kopf stehe, auf einer Klippe oder in der Markthalle sitze, ob ich im Sand eingegraben bin oder mir beim Kraxeln auf die Tempelritterburg sämtliche 206 Knochen verrenke, ob ich auf die Big Waves neben dem Leuchtturm oder auf die Touristen in meinem Lieblingscafé starre. Da geht Schreiben einfach immer. Mit und ohne rechten Winkel, Mindestabstand und Maximalbeleuchtung. Einfach deshalb, weil dort meine Seele zuhause ist. Läuft. Klingt komisch, is‘ aber so.

In diesem Sinne. Ich bin dann gezz wech. Fanutensilien für das Spiel Deutschland – Portugal zusammensuchen und Koffer packen.

Eure Claudia Kociucki

 

 

 

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2 Gedanken zu „Schreiborte (Teil 2): Durchgecheckt und eingecheckt“

  1. Wie immer schön zu lesen, Claudia. Ich bin gespannt auf den Stapel an Geschichten, den Du von der Silberküste mitbringst. In der Zwischenzeit suche ich selbst nach einem inspirierenden Schreibort. Ideen habt Ihr alle genügend geliefert.

    Viele Grüße
    Ingrid

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