Truth is stranger … Blaue Hunde

Am liebsten schreibe ich Liebesromane. Keine Schmonzetten, auf diesen Unterschied lege ich größten Wert. Und damit wären wir schon beim Thema. Was wird gemeinhin als Schmonzette bezeichnet? Laut Wiktionary bedeutet es Folgendes: umgangssprachlich abwertend: wenig geistreiches (kitschiges) Werk; albernes minderwertiges Erzeugnis.Wenig geistreich, kitschig und vor allem, was hier nicht erwähnt wird UNGLAUBWÜRDIG. Die Protagonisten erleben an den Haaren herbeigezogene Dramen, verstricken sich in offensichtlichen Lügen und entwirren nicht die einfachsten Missverständnisse. Das Schlimmste jedoch, was viele ihrer Nichtleser aufschreien lässt, sind hanebüchene Zufälle, die die Story vorantreiben sollen.

Was das mit blauen Hunden zu tun hat, wollen Sie wissen? Dazu komme ich jetzt, denn die Geschichte, die ich Ihnen erzählen möchte, handelt von dermaßen vielen Zufällen, dass sie problemlos in eine Schmonzette gepasst hätte. Aber sie hat sich tatsächlich ereignet.

Hauptperson ist eine gute Freundin von mir. Reiselustig ist ein Adverb, mit dem sie sich gut beschreiben lässt. Auf einem ihrer Trips verschlug es sie nach New Orleans. Das war 1991. Typisch Touri spazierte sie mit ihrem Mann durch das berühmte French Quarter und betrachtete die vielen kleinen Schaufenster der umliegenden Läden. Plötzlich schauten sie viele blaue Hunde an. Keine echten, natürlich, es war eine Galerie. Sie ging hinein in der Annahme, eines dieser Poster als nette Erinnerung zu kaufen, erfuhr jedoch, dass es sich um Kunstdrucke handelte, die immerhin 100 Dollar kosten sollten. Sie war schon fast auf dem Rückzug, als die Frau des Künstlers auf sie zukam und ihr die Geschichte des Hundes erzählte.
Sie zeigte ihr das Schwarz-Weiß-Bild ihres eigenen Hundes, der Tiffany hieß und genauso aussah, wie die Hunde in dem strahlenden Blau auf den Drucken. Ihr Mann, der Maler, hatte den Auftrag bekommen, ein Kinderbuch zu illustrieren. Da es sich dabei um eine Spukgeschichte handelte, hatte er als Vorbild einfach seinen eigenen Hund genommen und die Zeichnung blau eingefärbt. So entstand der Geisterhund fürs Kinderbuch, den er nun in verschiedenen Variationen als Kunstdruck anbot.
Die Ehefrau war offensichtlich eine gute Verkäuferin, denn sie zeigte meiner Freundin einen weiteren Print in einer neunziger Auflage, der 450 Dollar kosten sollte.
Na super, dachte Barbara, wo mir doch schon 100 Dollar zu viel sind. Und das sagte sie dann auch.
Aber die Ehefrau gab nicht auf. „Ach, warte mal ab“, sagte sie. „Ich frage mal meinen Mann und bitte ihn, dir noch etwas auf Deutsch darauf zu schreiben. Dann bekommt ihr alle beide zu dem günstigen Preis von 375 Dollar.“
Gesagt, getan. Der Künstler kam hinzu und schrieb: „Manchmal fühle ich mich wie ein blauer Hund“, auf eines der Bilder.

Nun, das ist ja noch kein Zufall, meinen Sie? Stimmt, die Geschichte geht noch weiter.

Ein Jahr später machte meine Freundin mit ihrem Mann einen erneuten Trip in die USA. Dieses Mal ging es nach Kalifornien. Sie ließen sich treiben und landeten irgendwann in Carmel, einem kleinen Ort an der Pazifikküste, wo sie sich abends ein kleines italienisches Restaurant zum Abendessen suchten. Dort lernten sie zwei alte Damen, Mutter und Tochter kennen, die Geburtstag feierten. Die Mutter wurde 105, die Tochter war zarte 87 Jahre alt. Doch die beiden waren noch voller Energie und erzählten während des Essens bestens aufgelegt von ihrer Heimatstadt.
Nach dieser netten Begegnung beschlossen Barbara und Philipp nicht weiterzufahren, wie sie es eigentlich vorgehabt hatten, sondern noch einen weiteren Tag in Carmel dranzuhängen. So verbrachten sie den Tag am Strand und bummelten am späten Nachmittag durch eine kleine Geschäftsstraße. Auf einmal standen sie erneut vor einem Schaufenster, aus denen ihnen blaue Hunde entgegenblickten. Tatsächlich hatte der Maler genau in diesem Jahr in Carmel seine zweite Galerie eröffnet und sie waren ausgerechnet davor gelandet. Natürlich kaufte Barbara einen weiteren Print „Das schlechte Gewissen in mir“, das durch einen zusätzlichen roten Hund dargestellt wurde.

Das ist nun wirklich ein Zufall, werden Sie vielleicht denken, aber es geht noch weiter.

1996 besuchte Barbara ihre Freundin Susanne in München. Als die Rückreise anstand und sie auf dem Weg zum Bahnhof waren, hatten sie sich verfahren.
„Stopp!“, schrie Barbara plötzlich.
Susanne zuckte erschrocken zusammen. „Was denn?“
„Ich habe gerade einen blauen Hund gesehen!“
„Was?“
„Ich habe einen blauen Hund gesehen!“
„Du spinnst.“
„Dreh SOFORT um!“
„Wenn’s sein muss.“
Wie gute Freundinnen so sind, wendete Susanne den Wagen, ohne zu fragen warum, und fuhr bis vor ein Schaufenster, aus dem ihnen die blauen Hunde entgegenblickten. Tatsächlich hatte der Maler 1996 in München eine weitere Galerie eröffnet und Barbara erstand zwei weitere Drucke. Einen davon, eine Special Edition, hatte er speziell für ein Münchner Straßenfest gemalt, „Summer Feelings“.

Sind das jetzt genug Zufälle, damit Sie mir zustimmen, diese Geschichte niemals in einem ernsthaften Roman zu verarbeiten? Dann sind wir einer Meinung, aber eigentlich ist es schon schade.

Übrigens: Bei dem Maler handelte es sich um den Künstler George Rodrigue, der im Dezember 2013 verstarb und seine limitierten Auflagen sind inzwischen deutlich mehr wert, als ein paar hundert Dollar 😉

Ihre Cordula Broicher

Teilen:

Schreibe einen Kommentar