Die Wiederentdeckung des absichtslosen Schreibens

Eines vorab: Ich liebe das Schreiben.
Ich liebe es, wenn der Füller über das Papier fliegt und allmählich ein Bild zeichnet, von einer Figur oder einem Moment. Ich liebe das Abtippen des handgeschriebenen Textes, das meditative, halbwegs regelmäßige Klappern der Tasten, bei dem ich meinen Blick gern aus dem Fenster richte und der Himmel mir manchmal eine bessere Formulierung zuträgt. Ich liebe es auch, den ausgedruckten Text zu überarbeiten, ein Wort zu streichen und gegen ein besseres auszutauschen, ganze Sätze zu verschieben oder zu verabschieden, weil sie doch nicht nötig sind. Ich liebe das alles. Und trotzdem …

Trotzdem habe ich in diesem Jahr wenig geschrieben. Sicher, ich habe einiges für den Blog geschrieben. Ich habe viele Notizen zu Afrika gemacht – während meiner Reise dorthin und – wegen weiter bestehender Kontakte auch danach. Ich schreibe über die Bücher, die ich lese. Ich könnte auch noch anführen, dass ich Bewerbungen geschrieben habe, aber das zählt an dieser Stelle wohl eher nicht, zumal ich nicht viele geschrieben habe. Ich hatte schon ziemlich bald einen neuen Job, der übrigens mit daran schuld ist, dass ich in diesem Jahr so wenig geschrieben habe. Nicht zuletzt schreibe ich – wenn auch nur sporadisch – an dem Gerüst meines zweiten Romans. Oder die Seiten des Romans, die ich am Ende streichen werde, weil sie nur dazu da sind, meine Figuren besser kennenzulernen. Klingt ineffizient, ist aber nötig. Jedenfalls für mich und für diesen Roman.

Mit Wehmut denke ich an das letzte Jahr, in dem ich meinen ersten Roman nach einer fertig ausgearbeiteten Szenenfolge geschrieben habe. Damals war es einfach. Ich setzte mich an den Schreibtisch und musste einfach nur auf den Plan sehen. Kapitel 20, Szene drei: Die Szene, in der G erst die Pistole von C findet und dann einen Eifersuchtsanfall bekommt. Da war schon klar, worauf die Szene hinauslaufen sollte, und einigermaßen, was in dieser Szene passieren sollte. In gewisser Weise war das Luxusschreiben. Allerdings habe ich vorher etwa zwei Jahre damit zugebracht, diese Szenenplanung zu erarbeiten, viele Seiten zu schreiben, die ich später wieder gestrichen habe, nur um mich meinen Figuren und der Handlung meines Romans zu nähern.

Meine planbaren Zeiten waren aus verschiedenen Gründen in diesem Jahr meilenweit davon entfernt, eine so langwierige Aufgabe wie einen Roman in Angriff zu nehmen. Selbst für die Überarbeitung meines Erstlings reichten die absehbaren Zeitfenster nicht aus. Weil ich aber das Schreiben liebe, habe ich mich an etwas erinnert, was ich früher oft gemacht habe: absichtsloses Schreiben. Beschreibungen meiner Umgebung. Eines Zimmers, in dem ich einmal einen Urlaub verbracht habe. Skizzen von Personen. Dialoge, aufgeschnappte, weitergesponnene. Mein Verhältnis zu Geld, das Verhältnis möglicher Romanfiguren zu Geld. Das Verhältnis zu Religion. Meines und das potentieller Romanfiguren. Manchmal ist mir in früheren Jahren auf diese Art eine Kurzgeschichte zugeflogen. So halte ich meinen Kopf im Schreibmodus, selbst wenn es für das große Projekt im Moment nicht reicht.

In Kürze wird mein Leben wahrscheinlich – hoffentlich – wieder planbarer. Die Zeitfenster, in denen ich zu denken und zu schreiben vermag, werden wieder größer. Derweil beschäftige ich mich mit den Texten, für die kleine Zeiteinheiten ausreichen. Und weiß: Es kommen andere Zeiten.

Absichtslose Grüße
Ihre Dorrit Bartel

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