Gespräche im Frühjahr

Die Mistgabel in der Schubkarre laufe ich quer durch den Garten zum Kompost. Ein Sonnentag im März. Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken. Novalis geht mir durch den Kopf. Unsere Hausamsel zerrt einen Regenwurm aus meinem frisch ausgesäten Spinatbeet. Sie schaut mich kurz an, dann ist ihr der Wurm wichtiger. Bei dem Kompostsilo hebe ich den Deckel auf und will gerade mit der Mistgabel reinstechen, da höre ich:

„Und dann war der lange Dünne nicht mehr da.“

Mein Kompost spricht. Eine Bassstimme.

„Erzähl weiter“, höre ich jetzt hellere Stimmen

„Wenn ihr wollt“. Mein Kompost spricht. Da setze ich mich erst einmal

„Aufgepasst. Wir sind hier seit Jahren schon in diesem schönen Stückchen Erde über den Winter zuhause. Das was dem langen Dünnen passiert ist…“, höre ich wieder die dunkle Stimme. „Wenn man es eilig hat und unvorsichtig ist, kann das passieren. Schwuppdiwupp, schon biste weg.“

„Wieso denn? Weil es Frühjahr ist, oder weshalb?“, höre ich eine helle Stimme.

„Im Frühjahr wird es da oben wärmer. Das merkt ihr ja selber. Und was passiert dann? Genau, wir suchen uns neue Wege nach oben. Da frieren wir nicht mehr so und mehr zu futtern gibt es auch. Wenn es oben wärmer wird, kommen die Menschen und machen unser Zuhause kaputt. Das ist an für sich gar nicht schlimm, eher das Gegenteil. Unser Mensch hier, nimmt uns alle dabei mit und verstreut uns in seinem Garten. Kompost nennt er unser Winterquartier. Draußen kriechen wir schnell wieder in die Erde und haben neues Futter. Da geht es uns viel besser als unser Nachbarin, der Frau Wühlmaus. Jedes Jahr, wenn der Gartenmensch unser Winterzuhause im Garten verteilt, wirft er zuerst ihr Winternest. Die Nachbarin rennt schnell weg und wir sehen sie später irgendwo im Garten wieder, in einem neuen Zuhause. Genau wie wir futtert sie den ganzen Winter über, was die Menschen in ihren Kompost werfen. Das ist reichliche Futter für uns über den Winter. Das ist sehr gut für die friedliche Nachbarschaft mit Frau Wühlmaus. Sie und wir fressen ja nur vegetarisch. Eigentlich. Wenn Frau Wühlmaus nix vegetarisches findet, frisst sie auch gerne uns. Ist hier aber noch nie vorgekommen.“

„Den langen Dünnen auch nicht? Wo ist der denn hin?“

„Gute Frage“, höre ich die Antwort, „ich würde mal sagen, zu früh aus dem Winterquartier gekrochen.“

„Wohin?“

„Raus aus unserem warmen Zuhause, rein in die Erde um uns herum. Der lange Dünne war schon den ganzen Winter unruhig. Im Frühjahr wird es schön warm. Unser Gartenmensch sagt dann oft, dass die Sonne scheint. Da wird die Erde richtig schön warm. Dann ist der Winter vorbei. Aber aufgepasst. Nicht nur wir freuen uns, wenn es wärmer wird und wir etwas anders futtern können. Die frische, warme Erde. Die schmeckt uns so gut“. Irgendwie habe ich das Gefühl, als würde der Erzähler sich, beim Gedanken über das neue frische Futter über seinen Bauch streichen. „Über uns sind andere Tiere“ höre ich dann die Stimme wieder, „Vögel, sagt der Gartenmensch dazu. Die sind gefährlich für uns. Die wissen, wann und wo wir was fressen und ratzfatz reißen sie uns aus unserem Leben. So jetzt ist aber genug mit Geschichten. Denkt daran, auch wenn es euch schon ab und zu warm wird, schön drinbleiben, der Gartenmensch kommt ganz sicher bald“.

„Kaffee ist fertig“ höre ich jetzt von der Terrasse. Aus dem Kompost höre ich nichts mehr. „Komme“, rufe ich in Richtung Terrasse. Unsere Hausamsel zerrt noch immer den Regenwurm aus dem Spinatfeld. „Glück für Dich“, sage ich zu ihr, „Pech für den dünnen Langen“.

„Glück“ höre ich jetzt den Vogel sagen, „man eh, du hast doch keine Ahnung. Das ist Können“. Verächtlich wendet sie wieder ihren Kopf zum halb herausgezogenen Wurm.

Das Frühjahr fängt ja gut an für mich. Beim Schluck Kaffee, ein Stückchen Kuchen im Mund, sehe ich der Hausamsel weiter zu. Nach der Kaffeepause geht es wieder zum Kompost. Wenn da wieder gequatscht wird, werde ich wohl heute nicht mehr fertig. Man ey.

Amos Ruwwe

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