Horst-Dieter kocht mit Monika Detering und den Protagonisten: Vogelbeeren! Igitt!

„Ich dachte, du wolltest einen winzigen Imbiss vorbereiten, und jetzt stehst du da und kochst wie Mälzer?“

„Mälzer? Was’n das?“, fragte Kristian irritiert.

„Tim Mälzer? Kennste nich? Der kocht im Fernsehn und sieht super aus. Und wie der so in die Kamera lächelt, also … da möchte ich einmal im Leben Kochlöffel sein …“

Kristian schaute auf. Wie bitte? Gott, sie redet ja wie eine Zwölfjährige. Sonja stand in der Tür und sah staunend zu, wie er jetzt hellen weichen Käse auf die dampfenden Kartoffeln in der Auflaufform verteilte. Sie hatte schon vorher beobachtet, wie dieser Mann Kartoffeln halbierte, mit Lorbeerblättern spickte und nun die Käsescheiben, die er gekonnt aus dem halben Rund schnitt, geschickt auf jede Kartoffelhälfte drapierte.

„Ist ja auch nur eine Kleinigkeit: Lorbeerkartoffeln mit gedünstetem Sanddorn.“

„Und Camembert“, ergänzte Sonja. „Bah, der stinkt doch. Und das soll schmecken? Hab ich noch nie so vorbereitet gesehen und niemals vorher gegessen! Lorbeer mit Camembert, puh, wie abartig!“ Sie rümpfte die Nase. „Ich liebe meine Mikrowelle. Kochen, durchschneiden und dann noch mal in den Backofen, viel zu kompliziert. Wenn ich nicht Mikrowelle koche, dann muss alles in einen Topf, und nach einer Stunde schau ich mal nach.“

Kristian lachte und versteckte dahinter schon eine Gekränktheit, die, wie er fand, Sonja weiß Gott nicht mitzukriegen brauchte. „Lass dich einfach überraschen. Ich dachte, junge Frauen wären flexibel, auch in ihren Essgewohnheiten. Und dies hier ist Vacherin, genau genommen Vacherin Mont-d’Or, ein Weichkäse aus Kuhmilch aus dem französischen Haut-Doubs.“

„Ja, woraus soll er denn sonst sein? Denkst du, ich dachte aus Cola light?“

Kristian überhörte ihren Kommentar, salzte, gab eine Prise Pfeffer und Muskatnuss dazu und schob die Form in den Backofen.

„Das ist in einer viertel Stunde fertig.“ Er zog die Pfanne heran, goss aus einer Flasche großzügig Sonnenblumenöl – „Wieso Bio?“, staunte Sonja – hinzu, stellte die Pfanne auf die heiße Herdplatte und nahm das Sieb mit den gelben Beeren zur Hand. Vorsichtig schüttelte er es über der Spüle, damit das Restwasser abtropfen konnte.

„Krischan, was machst du mit den Vogelbeeren?“, fragte Sonja besorgt. „Die müssen wir doch nicht etwa essen?“

„Das ist Sanddorn.“

„Die wachsen doch hier überall, diese gelben Vogelbeeren. Bist du ein Ökoheini? Wahrscheinlich isst du auch Blumen und Gras?“

„Manche sagen auch Dünendorn oder Sandbeere dazu. Sie hat einen unglaublich hohen Vitamin-C-Gehalt, fast wie Hagebutten. Schmeckt aber viel besser. Man kann auch Saft daraus machen, Marmelade oder Gelee, sogar Wein und Schnaps. Die gibt es nachher über die Kartoffeln.“

„Ich weiß ja nicht. Wie sehen denn Hagebutten aus?“

„Zeig ich dir später.“ Kristian schüttete die Beeren in die Pfanne mit dem heißen Öl. Während es zischte und brutzelte, holte er sich den bereits abgewogenen Zucker heran. Der kam am Schluss dazu.

„Ob du bitteschön mal den Tisch deckst? Wir können dann gleich essen. Ich richte schnell noch einen kleinen Salat an.“

„Machst du gern den Hausmann? Oder ist das eine Folge deines Infarkts? Ich meine, manche Leute verändern nach bestimmten Erkrankungen ihre Persönlichkeit. Dann übertrage mir die weitere Büroarbeit, die zu deinem eigentlichen Job gehört. Und du machst das andere.“

„Was bitte?“, fragte Kristian mit hochgezogener linker Augenbraue.

„Ja, ich meine Kochen und das …“

Kristian registrierte sehr wohl, was alles hinter diesen etwas naiv dahin geworfenen Worten lag. Mit fast zu freundlicher Miene fragte er: „Ist es dir recht, wenn ich dir schon mal etwas auf den Teller lege? Eigentlich hätten sie vorgewärmt sein müssen, aber ich gehe inzwischen davon aus, dass es dir nicht allzu viel ausmacht, wenn sie kalt sind.“

Sie probierte. „Ich finde den Lorbeergeschmack sehr exotisch, aber gebratene Vogelbeeren habe ich noch nie gegessen.“ Unruhig drehte sie ihr Glas. Sonja hatte große Lust, nach dem Essen näher zu rücken. Einer, der kochen kann, ist nie verkehrt.

Kristian schmeckte es vorzüglich, er blickte auf und dachte, der Lippenstift steht ihr nicht, viel zu rosa.

„Weißt du“, sie beugte sich vor und blickte Kristian tief in die Augen, „der Italiener links neben der Post, der soll gut sein. Seine Pizza riecht jedenfalls köstlich!“

Aus: Monika Detering/Horst-Dieter Radke – Eine Insel für immer, books2read (E-Book), ISBN 9783733783365

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