Lob des Kaffees

Wenn er abgebrüht ist, kann der Tag beginnen.

Ohne ihn würde halb Deutschland nicht aus den Federn kommen, und die Lockerung des Lockdowns stünde noch in den Sternen. Ein Knopfdruck genügt und, ruckedigu, läuft er unten raus.

Er ist heiß oder lau, schwarz oder weiß, wie man gerade drauf ist. Er ist so süße, dass man sogar Kantaten auf ihn singt. Aber wenn man die Schnauze voll hat, ist er es, der wieder hochkommt.

Schriftsteller (Balzac) und Komponisten (Beethoven) schwören auf sein Aroma, Mechatronikerinnen und Raumpfleger ebenso. Mit einer Zigarette ist er ein Nuttenfrühstück.

Er lässt keinen ungerührt, bringt Schwung in Kreislauf und Wirtschaft. Wenn man es mit ihm übertreibt, kriegt man das Rennen oder Herzkasper. Nach achtzehn Uhr lässt man lieber die Finger von ihm, sonst findet man nie wieder Schlaf.

Es gibt ihn auch kastriert ohne Coffein, aber dann steht nicht mal mehr der Löffel in der Tasse. Ihm ist es gestattet, mächtig Dampf abzulassen. Wer Geschmack an ihm findet, kriegt mit Dopamin ein Hoch.

Im Mittelalter sahen Mönche, wie Ziegen seine roten Früchte fraßen. So brauten sie einen Trank aus ihm und blieben die Nachtmesse wach.

Sein Herkunftsland ist Äthiopien, wo Nomaden dank ihm die eisigen Wüstennächte überstanden. Über das Osmanische Reich kam er nach Europa, wo der Sonnenkönig Ludwig sich für ihn stark machte. Aber erst mit der Industrialisierung gelang ihm der endgültige Durchbruch. Außer in Ostfriesland, aber mittlerweile auch dort.

Er hat dem modernen Kapitalismus die Bresche geschlagen und ist nun der Stachel im Sitzfleisch, der uns zur Arbeit antreibt.

Sein Pulver ist feingemahlen oder gefriergetrocknet, und dann wird er gefiltert, in kochendes Wasser aufgelöst oder gepfiffen und ausgepresst. Aber es gibt ihn auch ungefiltert.

Als Espresso braucht er Temperaturen zwischen 92 und 94 Grad Celsius und einen Brühdruck von 10 bar. In höchstens 30 Sekunden muss er durchs Pulver geschleust werden. Hundert Meter Wassersäule lassen dann die Crema entstehen, hmmm.

Er lässt sich auch lautstark mit Milch aufschäumen und mit Zucker versüßen, für alle, die die Welt pur nicht ertragen können.

Als Normalo quellt er durchs Altpapierfilter, aber er kommt auch schon mal aus der Kapsel geschossen. Zuviel von ihm greift die Magenschleimhäute an. Man kann mit ihm Rosen düngen, Nacktschnecken loswerden und im Säurebad von einem Löslichen lassen sich Filme entwickeln.

In seinem Satz kann man die Zukunft lesen wie in einem Buch. Er ist der Zaubertrank, mit dem man sich stark wie Asterix fühlt, der Stoff, der uns im Innersten zusammenhält, kurz: das Wesen der Welt, das man aus der Bitterkeit seines Coffeins herausschmeckt.

Er und Kuchen sind so unzertrennlich wie Kastor und Pollux, die gemeinsam mit der schönen Helena einst demselben Ei entschlüpften und heute einem helfen, den Sonntag zu überstehen.

Bevor er in der Tasse landet, hat er schon eine Odyssee hinter sich: Er wurde gepflückt, abgeschabt, getrocknet, geröstet, vakuumisiert, um die halbe Welt gejagt, aus der Packung gerissen und mit kochendem Wasser überbrüht. Jetzt verströmt er seine Aerosole durch alle Flure.

Für die Herstellung einer Tasse braucht es 140 l Wasser, eine Badewanne voll. Deshalb zerfiel Franz Kafka nicht zu Staub, als er sich nur von ihm ernährte.

Er verschießt sein ganzes Pulver, damit alles obenauf bleibt und der Kapitalismus nicht zusammenbricht. Man wird angefixt, fängt Feuer und brennt aus. So schäumt er jeden Morgen aufs Neue auf, durchstößt mit Juchhe die Blut-Hirn-Schranke und holt das Letzte aus uns heraus. Versprochen!

Ihr
Jürgen Block

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