Schreiben mit Füller oder: Die Qual der Wahl

Kürzlich las ich in einer Frauenzeitschrift, dass Gewohnheiten eine gute Sache sind, weil sie dafür sorgen, dass der Kopf für die wichtigen Fragen des Lebens frei bleibt und nicht mit Alltäglichkeiten vollgestopft wird wie: Was soll ich frühstücken oder wie bereite ich meinen Tee zu? Irgendwie fand ich es beruhigend, dass mir die Psychologin von Brigitte (oder war es Petra? – Ich lese diese Zeitschriften tatsächlich nur beim Arzt oder Friseur und kann sie leider nicht auseinanderhalten) bestätigten, was ich schon lange weiß. Ich frühstücke seit Jahren Haferflocken mit Früchten und Joghurt und Tee lasse ich morgens vier und abends sechs Minuten ziehen. Nur wenn es um Füller geht, kriege ich es einfach nicht hin.

Ich habe immer gern mit Füller geschrieben und bis heute schreibe ich meine Texte zumeist erst mit Füller, bevor ich sie über die Tastatur in den Computer eingebe – ich kann den Text besser fühlen, wenn ich ihn zunächst in Tinte gieße. Außerdem gibt es kein anderes Schreibgerät, das meine Handschrift gut aussehen lässt.

Als Schülerin hatte ich das Privileg, in einer Ostschule mit Westfüller schreiben zu können, weil meine Großmutter Füller für mich kaufte. Das eigentliche Privileg war jedoch, dass sie mir die Mühe ersparte, zwischen mehreren Marken zu entscheiden. Das wurde mir erst bewusst, als ich mir Jahre später selbst einen Füller kaufen musste. Damit war ich nämlich hoffnungslos überfordert, wie übrigens damals oft. Ich meine: Ich will nur schreiben, ich will nur Wäsche waschen oder mir die Zähne putzen – wieso muss ich für jede dieser Tätigkeiten unter mindestens einem Dutzend Produkten auswählen, die sich oft gar nicht wirklich voneinander unterscheiden? Das verstehe ich bis heute nicht wirklich.

Schließlich entschied ich mich für einen silberfarbenen Füller eines amerikanischen Herstellers, der ziemlich elegant aussah. Bei der Gelegenheit befand ich mich außerdem für aus dem Schulblau entwachsen und beschloss, zukünftig mit schwarzer Tinte zu schreiben. Viele Jahre habe ich mit diesem Füller und schwarzer Tinte geschrieben, obwohl ich mir zuletzt die Patronen aus Paris mitbringen lassen musste, weil der amerikanische Hersteller seine Geschäftsbeziehung mit Deutschland auf Eis gelegt hatte. Nach 15 Jahren aber quittierte der Stift seinen Dienst. Die Tinte floss nicht mehr gleichmäßig und eine teure Reparatur half auch nicht. Ein neuer Füller musste her. Ich hätte die Entscheidung gern jemandem anderem überlassen, aber meine Grußmutter war inzwischen längst tot und mir fiel sonst niemand ein, der für mich wählen konnte. Leider.

Woher um alles in der Welt sollte ich die Zeit nehmen, alle gefühlt 500 angebotenen Füller auszuprobieren, um am Ende sicher zu sein, die richtige Wahl getroffen zu haben? Wochenlang streifte ich durch die Schreibwarenläden, probierte verschiedene Marken aus, leistete mir einen Fehlkauf und entschied mich erst während eines Frankreichurlaubs endgültig: wieder für eine amerikanische Firma, die in Frankreich produzieren lässt. Immerhin passten die allerorten gebräuchlichen Tintenpatronen, ich musste mir also keine mehr aus Paris einfliegen lassen.

Apropos Patronen – weil ich ohnehin eine Veränderung etablieren musste, wechselte ich gleich auch noch meine Schreibfarbe. Violett war zunächst als Versuch gedacht, entwickelte sich jedoch schnell zu meiner Farbe in meinem neuen Lieblingsfüller. Den ich unglücklicherweise eines Tages im Zug von Amsterdam nach Berlin vergaß. Seitdem ist nichts mehr, wie es war. Weil ich mich wieder einmal nicht entscheiden konnte, verfiel ich in einen Kaufrausch. Ich entdeckte nicht nur neue Füllermarken, sondern auch, dass es außer Schwarz und Violett wunderbar viele Tintenfarben gibt: Türkis, Rot, Grün … Auf einmal fand ich es eine gute Idee, für jede dieser Farben einen eigenen Füller zu haben. Ich ruhte nicht, bevor ich eine Auswahl von mit unterschiedlichen Tinten bestückten Füllern zusammen hatte. Die rufen mir nun jeden Morgen entgegen: „Nimm mich, nimm mich!“

Für das Geld, das mich mein Füllerarsenal gekostet hat, hätte ich vielleicht lieber die Brigitte abonnieren sollen. Oder die Petra.

Unentschiedene Grüße

Ihre Dorrit Bartel

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Ein Gedanke zu „Schreiben mit Füller oder: Die Qual der Wahl“

  1. Nö, bitte nicht die Frauenzeitschrift abonnieren!
    Gewohnheiten aufbrechen, mh, oder sind es hilfreiche Strukturen? Mit dem Fühler geht es bei Dir um Veränderung, beim Frühstück nicht.
    Wann ich den ersten Fühler geschenkt bekam, das weiß ich nicht mehr. Was ich aber ganz genau noch weiß, es war eine bei mir immer eine ziemliche Sauerei.
    Das Schreiben, klecker, klecker, Patronen gab es nicht, es musste die Tinte aufgezogen werden, klecker, klecker, blaue Finger waren immer angesagt. Irgendwann war Schluß, es gab einen Kugelschreiber. Bis heute schreibe ich nie mit einem Fühler, nur mit einem Schreiber, der ist ein Mittelding. Einen Parker. Mit dem geht es mir wie Dir mit dem Fühler, es muss ein Parker sein, alles andere ist nur vorübergehende Notlösung.

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